Moderne Fahrzeuge speichern bei Unfällen eine Reihe von Ereignisdaten ab, die für die
Unfallaufklärung zunehmend unabdingbar sind. Bereits seit der Einführung des
Antiblockiersystems (ABS) sind sichtbare Spuren wie Brems-, Blockier- oder
Driftspuren am Unfallort immer schwerer zu finden. Heute kann eine Vielzahl von
modernen Assistenzsystemen vor einem Unfall aktiv sein und den Unfallablauf maßgeblich beeinflussen. Deshalb werden die Analyse und Aufklärung von Unfällen mit den herkömmlichen Methoden mit zunehmender Automatisierung von Funktionen immer schwieriger.
"Es muss in Zukunft für Halter, Versicherungen, Behörden und Sachverständige für die Unfallrekonstruktion transparent sein,welche digitalen Unfall-spuren zur Aufklärung zur Verfügung stehen", lautete eine Kernforderung auf dem kürzlich in Ismaning stattgefundenen Allianz-Autotag-. Dazu gehöre u.a. die Information darüber, in welchen Fahrzeug- Modellen welche Daten aufgezeichnet werden und wie und ob diese auslesbar sind. Während in den USA ein Mindeststandard für die Datenaufzeichnung in den Fahrzeugen bereits seit 2006 existiert, fehle in der EU bis heute eine entsprechende Regelung.
Ist der Mensch oder das Auto schuld am Crash?
Experten der Allianz, der Automobilwirtschaft, der Wissenschaft und der Behörden
beschäftigten sich auf dem 7. Allianz Autotag sehr konkret mit der digitalen
Unfallaufklärung bei modernen Fahrzeugen. Implementiert waren dabei auch die
künftigen Anforderungen an standardisierte Datenspeicher und der faire Zugang
zu diesen Informationen. "Rechtssicherheit sowie Verbraucher- und Opferschutz können nur gewährleistet werden, wenn sich auch bei hochautomatisierten Fahrzeugen Hergang und Ursachen von Unfällen schnell und umfassend aufklären lassen", sagte Joachim Müller, Vorstandsvorsitzender der Allianz Versicherungs-AG, auf der Veranstaltung.
Sein Credo: "Es muss künftig möglich sein zu klären, ob der Mensch oder das Auto den Unfall verursacht hat."
Differenzierung zwischen Unfällen mit Verletzten und reinen Blechschäden
Bei der Unfallaufklärung müsse auch das Interesse der Betroffenen am Schutz ihrer
Daten berücksichtigt werden. "Nicht jeder möchte akzeptieren, dass im Schadenfall sein eigenes Fahrzeug vor Gericht gegen ihn aussagt", war die einhellige Auffassung.
Nach Ansicht der Allianz müssen auch Unfälle mit Verletzten oder Straftaten anders
bewertet werden als Sachschäden. "Wenn ein Mensch verletzt oder getötet
wurde, sollten alle im Fahrzeug nutzbaren Daten zur Aufklärung der Schuldfrage
herangezogen werden können. Bei einem reinen Sachschaden sollte sich allerdings
kein Beteiligter durch seine Daten aus dem Fahrzeug selbst belasten
müssen", so Müller.
5 zentrale Postulate
Die wichtigsten Positionen der Allianz zur digitalen Unfallaufklärung lauteten
zusammengefasst:
1. Die Allianz fordert mehr Transparenz zu den im Fahrzeug gespeicherten
Fahrzeugdaten bei einem Verkehrsunfall. Die Fahrzeughalter müssen sich einfach
und unkompliziert über die Daten informieren können, die in ihrem Auto
gesichert werden.
2.Die Standards,
die derzeit von der EU für künftige Unfalldatenspeicher und Fahrmodusspeicher
entwickelt werden, müssen geeignet sein, Verkehrsunfälle mit modernen
Fahrzeugen aufzuklären. Dafür reicht ein kurzes zeitliches Fenster von einigen
Sekunden vor und nach dem Unfall aus.
3. Insbesondere müssen Eingriffe von Fahrerassistenzsystemen abgespeichert werden,
sofern sie in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit einem Unfallereignis
stehen. Dies ist erforderlich, weil Fahrerassistenzsysteme zunehmend Einfluss auf den Hergang von Unfällen nehmen.
4. Bei Sachschäden soll es der Entscheidung des Betroffenen obliegen, ob die Daten
seines Fahrzeugs zur Unfallaufklärung genutzt werden. Sind Menschen verletzt
oder getötet worden, oder handelt es sich um eine Straftat, überwiegt das
öffentliche Interesse an der Aufklärung der Schuldfrage. Die Daten können in
diesem Fall auch gegen den Willen des Betroffenen verwendet werden.
5. Die Allianz empfiehlt einen unabhängigen Treuhänder, dem künftig die zur
Unfallaufklärung erforderlichen Daten bei hoch- und vollautomatisierten
Fahrzeugen übertragen werden. Es soll kein Interessenträger einen
ausschließlichen Zugang zu diesen Daten haben – weder einer der
Unfallbeteiligten noch der Fahrzeughersteller oder Versicherer.
(www.autohaus.de - wkp)